Weizen: Produktionsdefizit contra US-Erntebeginn
S. Linker sabine.linker@llh.hessen.de Stand: 07.06.2006


Die Ernte 2006 wird dem Weltmarkt erneut ein Produktionsdefizit bescheren - das läßt Preissteigerungen erwarten. Doch jetzt hat die Ernte in den US-Frühdruschgebieten begonnen und der US-Export lahm - Kursverluste sind die Folge. Für die EU bleiben die Preisaussichten dennoch sonnig.

Marktlage
Die Erzeuger haben ihre Läger weitgehend geräumt und auch auf der ersten Erfasserstufe des Handels ist alterntige Ware nahezu ausverkauft.

Das immer knapper werdende freie Angebot und eine zugleich kontinuierlicher Nachfrage lassen die Preisangebote der Verarbeiter für backfähigen Weizen erneut leicht anziehen. Inzwischen haben die Weizenpreise den höchsten Stand seit dem Preisabsturz nach der Rekordernte 2004 erreicht.

Deutschland: Die gute und flotte Nachfrage der Mühlen und Futtermittelhersteller hat in den letzten Monaten zu einer kontinuierlichen Verarbeitung geführt. Die Endbestände aus der Ernte 2005 dürften deutlich niedriger liegen als zunächst erwartet. Hinzu kommt, daß die Anbieter - in der Hoffnung auf weiter steigende Kurse - die noch verfügbare frei Ware zurückhalten, so daß es derzeit zu einer zusätzlichen Angebotsverknappung kommt.

Weltmarkt: Unterstützt wird der Preisanstieg in Deutschland und in der EU durch die Weltmarktlage. Da zur kommenden Ernte in den USA eine geringere Produktion erwartet wurde, standen die Zeichen an den US-Börsenstandorten seit Wochen auf Hausse. Inzwischen geben die US-Kurse wieder spürbar nach, zumal die Ernte in den Frühdruschgebieten unter ingesamt guten Erntebedingungen begonnen hat.

Während die Kurse an der Warenterminbörse KCBT kräftig zulegten, wurde auch höherwertiger Schwarzmeer-Weizen erheblich teurer. Eine - aus europäischer Sicht - äußerst erfreulich Entwicklung. Ukrainische Weizenexporteure schlossen zuletzt Verträge für höherwertige Backqualitäten zu umgerechnet 100 Euro/t FOB Schwarzmeerhafen zur prompten Lieferung ab. Spätere Liefertermine erzielten zusätzliche Preisaufschläge.

EU und Deutschland: Die steigenden internationalen Preise kurbelten auch das EU-Exportgeschäft nochmals an, so daß Brotweizen zum Beispiel an der Produktenbörse Mannheim höher bewertet wurde. Dagegen geben die Kurse an der Warenterminbörse WTB in Hannover und an der Warenterminbörse Matif in Paris für die Liefertermine der neuen Ernte deutlich nach. Hier wirkt bereits die erwartete hohe EU-Ernte auf die Notierung ein.

An den Kassamärkten folgten die Erzeugerpreise bis zuletzt den starken Hausse-Impulsen, wie zum Beispiel die Erlöse der Mitglieder des Realpreissystems CASH! zeigen. Seit der Ernte zogen die CASH!-Preise für A-Weizen um mehr als 26 % an, bei B-Weizen betrug der Preisanstieg sogar über 31 % (!).

 

Fakten

  • Deutschland: Mai-Preise bringen Preisaufschlag
    Wie in der Saison 1995/96 hat sich für die Produzenten, die erst im Mai ihre Ware an den Markt gebracht haben, das Warten ausgezahlt. Nachdem sich die Einlagerung der Rekordernte 2004 in keiner Weise rentiert hatte, zogen die Kurse für die Ernte 2005 bereits im Oktober 2005 spürbar an. Einen richtigen Hausse-Aufschwung erzielte alterntiger Weizen ab April 2006: Ein Plus von fast 17 Euro/Tonne brachte die Einlagerung in die Retabilitätszone.

    Hausse-Tendenz bis wenige Wochen vor der Ernte

 

  • EU: Binnenmarktausschreibung aus der Intervention
    Die EU-Kommission will einem weiteren Preisanstieg in der EU entgegen wirken und die EU-Bestände abbauen. Am 18.05.2006 hat daher der EU-Verwaltungsausschuß für Getreide eine Binnenmarktausschreibung eröffnet. 100.000 t Weizen aus deutschen Interventionsbeständen können vom 7. bis zum 28. Juni - nicht unter Marktpreis - beboten werden. Zeitgleich werden auch in Polen 150.000 t Weizen aus der Intervention für den Binnenmarkt ausgeschrieben.
    Baisse-Tendenz

 

  • Welt: Kleinere Getreideernte 2006/07 erwartet
    Die Welt-Weizenernte 2006/07 wird nach Ansicht das Internationalen Getreiderates (IGC) erneut niediger ausfallen. In seiner Mai-Prognose erwartet der IGC mit einer Welt-Produktion von mit 601 Mio.t zwar eine größere Ernte als noch im April, doch nach wie vor ein Minus von 2,6 % im Vergleich zum Vorjahr. Während Regenfälle im mittleren Westen der USA für günstige Wachstumsbedingungen gesorgt haben, ist es in den Anbaugebieten der Great Plains im Süden der USA noch immer so heiß und trocken, daß mit einer um 11 % geringeren Ernte in den USA gerechnet wird. Auch in Indien, Rußland und der Ukraine wird mit einer deutlich niedigeren Ernte gerechnet.

    Die Grafik zeigt, daß die globale Getreideernte 2006/07 die viertgrößte aller Zeiten ist. Dennoch übersteigt der Verbrauch die Produktion deutlich und die Endbestände schrumpfen. Ausschlaggebend für das Defizit ist vor allem die steigende Produktion von Bioäthanol in vielen Ländern, darunter auch zunehmend in den USA.
    Hausse-Tendenz

     

  • Osteuropa: Krasse Auswinterungsschäden - keine Konkurrenz für die EU
    Ukraine: Das ukrainische Landwirtschaftsministerium erwartet nach jüngsten Schätzungen aufgrund der erheblichen Auswinterungsschäden des letzten Winters eine Getreideernte von nur noch 37 bis 38 Mio.t. Damit stehen für den Getreideexport 2006/07 erheblich geringere Mengen zur Verfügung. Während das ukrainische Landwirtschaftsministerium noch Weizen-Exporte von 5 bis 6 Mio.t erwartet, gehen andere Analysten noch von deutlich niedrigeren Zahlen aus. Das US-Landwirtschaftsministerium prognostiziert lediglich Exporte in Höhe von 1 Mio.t.

    Rußland: Auch für Rußland sehen die Prognosen deutlich schmaler aus als in den Vorjahren. Starke Auswinterungsschäden und ungünstige Wachstumsbedingungen könnten nach Einschätzungs des US-Landwirtschaftsministertiums die Exporte von 10 Mio.t in der Saison 2005/06 auf nur noch 6,5 Mio.t im kommenden Vermarktungsjahr drücken.

    Die EU dürfte von dem zu erwartenden schwachen Konkurrenzdruck aus Osteuropa profitieren. Eine stärkere Exportnachfrage aus Drittländern und insgesamt höhere Preise sind zu erwarten.
    Hausse-Tendenz

  •  

  • Deutschland: Kleinere Winterweizen-Anbaufläche
    In Deutschland wird zur Ernte 2006 weniger Winterweizen, jedoch mehr Sommerweizen angebaut als im Vorjahr. Dennoch liegt die gesamte Weizenanbaufläche (inkl. Durum) lediglich 0,6 % über der Produktionsfläche des Vorjahres.

     
    Anbaufläche in 1.000 ha
    Veränderung
    in %
    Mai 2005
    April 2006
    Winterweizen
    3.108,3
    3.086,6
    -0,7
    Sommerweizen (inkl. Durum)
    63,6
    66,6
    +4,7
    Weizen insg.
    3.171,9
    3.153,2
    +0,6

    Damit dürften die Produktionsaussichten zur Ernte 2006 etwa auf Vorjahresniveau liegen.

    Hausse-Tendenz

 

Prognose
Am Weltmarkt geben die USA, die Nummer 1 unter den Weizenexporteuren am Weltmarkt, derzeit den Preistrend vor. Nachdem die extreme Trockenheit im Süden der USA über Wochen die Kurse in die Höhe trieb, sind es jetzt der Erntebeginn in den US-Frühdruschgebieten, schlechte Exportzahlen und Gewinnmitnahmen an den Warenterminbörsen, die die Kurse fallen lassen.

Die rückläufigen US-Warenterminmärkte lassen auch die Notierungen an den EU-Börsenplätzen sinken.

Doch letztendlich ist es der Kassamarkt, der den Preis bestimmt. Aktuelle den Markt- und Preisverlauf bestimmende Faktoren im EU-Raum sind:
• stärkerer Abbau der Endbestände in der EU als erwartet
• flottes Exportgeschäft der EU in Drittländer trotz des hohen Euro-Kurses
• kontinuierlicher Bedarf der Mischfutterindustrie
• wachsender Bedarf für die Ethanol-Produktion
• Wachstumsverzögerungen der Bestände in Deutschland und in der EU

Nach meiner persönlichen Einschätzung hat der Markt inzwischen die Phase erreicht, in der die kommende Ernte zunehmend die Preisentwicklung bestimmt. Bis zum Anschluß an die neue Ernte dürften die Preise hierzulande wie auch in der gesamten EU insgesamt stabil bleiben, da
• Mühlen/Mischfutterwerke nach wie vor Anschlußbedarf für einwandfreie Ware haben,
• mit einer leichten Ernteverzögerung gerechnet werden muß und
• die Exporte an den Weltmarkt frei verfügbare Ware aus dem Binnenmarkt ziehen.

Weitere deutliche Preissteigerung erwarte ich aufgrund der Freigaben aus EU-Interventionsbeständen jedoch nicht.

Preisaussichten für die Ernte 2006
Mit welchen Preisen wird Weizen ex-Ernte 2006 in die neue Verkaufssaison starten? Diese Frage wird derzeit zunehmend diskutiert. Noch halten sich Handel und Verarbeiter mit Preisaussagen sehr zurück, da
• die Preisentwicklung am Weltmarkt und damit die Exportaussichten,
• der Bedarf der Bioethanol-Branche,
• Bestandsentwicklung, Erntebeginn und Produktionserwartung
die EU-Binnenmarkt-Preise prägen werden.

Noch meiner Einschätzung ist infolge der erwarteten Interventionsfreigaben und der Anbaudaten zunächst mit einem moderaten Rückgang bei den Kursen zu rechnen. Da jedoch nach wie vor Anschlußbedarf bis zum Beginn der neuen Ernte besteht, dürften sich die Kurse wieder stabilisieren.

Mit Beginn der Ernte ist bei der Verkaufsplanung aufgrund des sprunghaft steigenden Angebotes der dann typische Preisdruck einzukalkulieren. Dennoch erwarte ich einen sehr viel geringeren Preiseinbruch zur Ernte 2006 als in den Vorjahren. Das engere Angebot-Nachfrage-Verhältnis läßt nach meiner Einschätzung ex-Ernte-Preise erwarten, die 8-13 Euro/Tonne über dem Vorjahresniveau liegen könnten.

 
 
 
Vorhergehende Beiträge
03.03.2006 Weizen: Produktionsdefizit zur Ernte 2006 wächst
08.02.2006 Weizen beendet den Winterschlaf
05.12.2005 Weizen: Endspurt in die Winterpause
03.11.2005 Weizen: Wann schlägt das Produktionsdefizit durch?
08.09.2005 Weizen: Preisargument "Qualität"
05.08.2005Weizen: Preisbasis stellt NaWaRo-Weizen
09.04.2005Weizen: Rekordproduktion 2004/05 läßt den Preisen keine Chance
10.03.2005Weizen: Tauwetter kommt im Schneckentempo
26.01.2005Weizen: EU-Exporterstattung läßt Hoffnung keimen
  
 
 
 
 

Seitenanfang