Weizen: Kater-Stimmung

S. Linker sabine.linker@llh.hessen.de Stand: 01.11.2007


Meldungen über weltweite Rekord-Anbauausdehungen infolge der Rekord-Preise lassen viele Käufer erheblich entspannter in die Zukunft schauen. Jetzt ist der Weizenpreis unter Druck geraten - zumal seit Anfang Oktober das große Verkaufen begonnen hat.

Marktlage
Im September konnte man die rasanten Preisanstiege nur noch als exzessiv bezeichnen. Die Reaktion auf die fundamentalen Versorgungsdaten des Marktes waren völlig übertrieben. So hieß es dann auch am 18.09.2007 an dieser Stelle: "... Der Preisgipfel an den EU-Märkten ist nach meiner persönlichen Einschätzung weitgehend erreicht. ...".

Wie das oft so ist: Auf eine euphorische Stimmung folgt der Kater. Die Spirale der Übertreibung mündet üblicherweise in einer zu heftigen Gegenreaktion. Genau in dieser Phase befindet sich zur Zeit der Weizenmarkt.

Am Weizenmarkt trat an den Leitbörsen in Paris (Warenterminbörse MATIF) und Chicago (Warenterminbörse CBOT) eine Konsolidierungsphase ein. Die Kurse gaben nach, nachdem Gewinnmitnahmen und Handelsaktivitäten von Spekulanten zu Kursrückgängen führten.

Die Kassamärkte haben auf den Kursrückgang weitaus weniger reagiert als die Terminkurse und bewegten sich eher seitwärts. Obwohl die Mühlen derzeit gut mit den Rohstoff Weizen eingedeckt sind, blieben die Erzeugerpreise in Hessen am Wochenanfang noch relativ stabil..

 

Fakten

  • Welt: Weizenerzeugung 2007/08 defizitär
    Die Schätzungen der weltweiten Weizenerzeugung für die Saison 2007/08 wurden erneut weiter nach unten korrigiert. In seiner Prognose vom 12.10.2007 schätzt das amerikanische Landwirtschaftsministerium die globale Weizenproduktion mit 600 Mio.t erneut rund 6 Mio.t niedriger als noch im September ein.

    Der Internationale Getreiderat hat in seiner Prognose vom 25.10.2007 seine niedrigen Ernteerwartungen bekräftigt und damit seine Erwartung sinkender Endbestände. Auch die Lagervorräte der Hauptexporteure schrumpfen weiter.

    in Mio. t
    Produktion
    Verbrauch
    Endbestände
    Welt
    Welt
    Welt
    Haupt- exporteure
    2003/04
    556
    594
    128
    43
    2004/05
    628
    616
    140
    59
    2005/06
    620
    624
    137
    58
    2006/07
    590
    610
    118
    38
    2007/08 Prognose vom:
    26.07.2007
    614
    617
    112
    30
    23.08.2007
    607
    614
    111
    29
    27.09.2007
    601
    612
    107
    25
    25.10.2007
    602
    610
    109
    25
    Hauptexporteure: Argentinien, Australien, EU, Kanada, USA
    Quelle: IGC

    Der weltweite Weizenverbrauch fällt bereits im dritten Jahr in Folge größer als die Produktion aus. Die defizitäre globale Versorgungsbilanz 2007/08 läßt die Weltmarktpreise weiter steigen.


    Die defizitäre Versorgungslage hat in diesem Jahr für einen bisher nicht gekannten Kursanstieg geführt. Erst seit Mitte Oktober gerät der Kurs wieder leicht unter Druck. Die Landwirte haben rund um den Erdball mit einer kräftigen Ausweitung der Anbaufläche zur kommenden Ernte 2008 reagiert. Weltweit könnte die Weizenfläche für die kommende Saison um 3-4 % zunehmen.

    Hausse-Tendenz

 

  • EU: Ernte 2007 zu gering - Anbauausdehnung zur Ernte 2008
    Mit 120 Mio.t Weizen (darunter 8 Mio.t Durum) liegt die Weizenernte 2007 in der EU-27 auf dem niedrigsten Niveau seit dem Dürrejahr 2003/04. Die EU-Kommission schätzt den Verbrauch von Weichweizen auf 113,7 Mio.t. Damit sinken auch die Endbestände auf das niedrigste Niveau seit 4 Jahren.

    Das französische Analystenhaus Strategie Grains hat in seiner monatlichen Schätzung vom 18.10.2007 diee Weizenerzeugung in der EU-27 für 2007/08 auf voraussichtlich 112,7 Mio.t zurückgenommen (2006/07: 116,9 Mio.t). Für die kommende Getreideernte 2008 erwarten die Analysten - nachdem die Flächenstillegung zur Ernte 2008 ausgesetzt wurde - eine um 1,7 Mio. Hektar größere Anbaufläche (zur Ernte 2007 waren 3,8 Mio. ha obligatorisch stillgelegt.). Daher wird mit 129 Mio.t eine um rund 16 Mio.t höhere Weizenernte prognostiziert. Das würde ein Plus von rund 14 % bedeuten!

    Baisse-Tendenz

 

  • Rußland: Neuer Exportzoll nur 10 %
    In Rußland werden Exporte von Weizen ab Mitte November bis vorerst Ende April 2008 mit einem Zoll von 10 % belegt. Das Wirtschafts- und Handelsministerium in Moskau will mit dieser Maßnahme weiter Preiserhöhungen bei Brot und anderen Grundnahrungsmitteln einschränken.

    Ursprünglich waren Vorschläge bekannt geworden, den Exportzoll auf 30 bis 50 % zu erhöhen. Ein derart hoher Zollsatz hätte letztendlich einem Exportstop entsprochen. Eine weitere Erhöhung des Zollsatzes schließt das Ministerium jedoch nicht aus. Für Gerste gilt ein Zollsatz von 30 %.

    Da die Verbraucherpreise in Rußland rapide gestiegen sind, haben sich zudem am 24.10.2007 vier russische Verbände von Lebensmittelherstellern, 26 Branchenunternehmen sowie die größten Handelsketten verpflichtet, die Preise für bestimmte Grundnahrungsmittel einzufrieren. Die Vereinbarung bezieht sich auf die Preise für Milch, Eier, Pflanzenöl und Brot.

    Baisse-Tendenz

 

  • Australien: Dürre läßt Ernteerwartungen weiter sinken
    Die Ernte in Australien hat begonnen und die Produktionszahlen werden langsam sicherer. Das australische Prognoseinstitut ABARE hat in seiner neuesten Ernteprognose am 30.10.2007 seine Ernteerwartungen nochmals deutlich nach unten korrigiert. Nachdem im September noch eine Weizenerzeugung von 15,5 Mio.t erwartet wurde, gehen die Analysten jetzt nur noch von 12,1 Mio.t aus.

    Zwar liegt die Ernte noch über den Ergebnissen des Dürrejahres 2006/07 (9,8 Mio.t), dennoch fällt das Ergebnis unterdurchschnittlich aus (5-Jahres-Durchschnitt: 21,6 Mio.t).

    Hausse-Tendenz

 

Prognose
An den fundamentalen Daten hat sich nichts geändert. Die weltweite Versorgungslage bleibt weltweit knapp bis zur Ernte 2008 auf der Nordhalbkugel. Bei der Bewertung der Marktaussichten sollte nicht vergessen werden, daß nicht nur die EU-Landwirte den Anbau von Getreide/Weizen zur kommenden Ernte ausgedehnt haben.

Die Preisschwankungen dürften daher künftig größer ausfallen, je nachdem wie in den kommenden Monaten die Produktionserwartungen zur Ernte 2008 bewertet wird.

Noch stehen die Prognosen zur Ernte auf der Nordhalbkugel auf tönernen Füßen:
Die Flächenstillegung ist zwar ausgesetzt. Doch der Anteil schwacher Böden bei der Stillegung ist hoch. Was steht tatsächlich an zusätzlicher, ertragreicher Anbaufläche zur Verfügung?
Die Ernten auf der südlichen Halbkugel sind noch längst nicht eingebracht.
Die künftigen Witterungs- und Wachstumsbedingungen auf der Nordhalbkugel versinken vollends im spekulativen Nebel.

Mittelfristig gesehen, haben die Weizenpreise in der EU nach meiner Einschätzung ihr maximales Preisniveau weitgehend erreicht. Ein stärkerer Wettbewerb durch russischen Weizen und die Erwartung einer weltweit größeren Produktion zur Ernte 2008 kappen den Preisspielraum nach oben.

Ein nachhaltiger Preisrückgang ist nach meiner persönlichen Meinung in den kommenden Monaten nicht zu erwarten. Ab Mitte Januar 2008 sehe ich durchaus wieder einen kleinen Preisspielraum nach oben.

 
 
 
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