Weizen: Hausse-bereiter Markt

S. Linker sabine.linker@llh.hessen.de Stand: 18.05.2011


Am Agrarrohstoffmarkt dominiert derzeit ein Marktfaktor die Preisentwicklung: das Wetter. Die ungünstigen Wettermeldungen aus Europa, Nordamerika und anderen wichtigen Ex- und Importländern lassen die Kurse wieder nach oben drehen.

Marktlage
Das Geschäft am Kassamarkt ist in den letzten Wochen weitgehend zum Erliegen gekommen. Die Umsätze mit prompter Ware sind auf ein Minimum zurückgegangen und das ex Ernte-Geschäft findet keine Beachtung.

Angesichts der rückläufigen Angebotsaussichten zur nächsten Ernte warten die Verkäufer zunächst die weitere Marktentwicklung ab. Viele Mühlen und Futtermittelhersteller bevorraten sich angesichts der wachsenden Witterungsrisiken inzwischen wieder mit prompter Ware, ohne davon viel Aufhebens zu machen. Man versucht, weitere Hausse-Signale am Markt zu vermeiden, zumal die Versorgungssituation vieler Verarbeiter bis zum Anschluß an die neue Ernte angespannt ist.

Mittlerweile werden über alle Getreidekulturen hinweg massive Ertragseinbußen befürchtet. Nach den sporadischen Umsätzen der letzten Wochen belebt sich daher das Geschäft mit prompter Ware jetzt wieder. Mit Preisaufschlägen für Back- und Futterweizen versuchen Käufer Restpartien aus den Lägern der Landwirtschaft und des Handels zu locken.

Die Großhandelspreise an den Produktenbörsen und auch die Erzeugerpreise zogen angesichts der preistreibenden Vorgaben vom internationalen und heimischen Markt weiter leicht an. In der weiten Spanne von 230 bis 280 Euro/t netto ab Hof erzielt Brotweizen bei akutem Bedarf in der Spitze Preise deutlich über Börsenniveau. Letzte Restpartien lassen sich derzeit nur mit kräftigen Preisaufschlägen aus den Lägern locken.

An der Warenterminbörse in Paris notierte der November-Termin inzwischen wieder oberhalb der 230 Euro/t-Marke. Seit dem Preiseinbruch im März 2011 konnten sich die Kurse damit wieder um 17 % erholen. Mit rund 228 Euro/t zog der Fälligkeitstermin August 2012 ebenfalls wieder an.

Kursgewinne verzeichneten in den letzten Tagen auch die US-amerikanischen Warenterminmärkten, nachdem die Witterung in den südlichen und den nördlichen Weizengebieten noch immer außergewöhnlich ungünstig verläuft.

 

 

Fakten

  • Welt: Stirnrunzeln über US-Prognose
    Eigentlich sind sich die Experten einig, daß die globale Weizenernte 2011/12 - trotz Ausdehung der Anbaufläche und Steigerung der Anbauintensität - deutlich kleiner ausfallen wird als erwartet.

    Stirnrunzeln löste daher die neueste Prognose des US-amerikanischen Landwirtschafts- ministeriums zur globalen Weizenversorgung aus, die am 11.05.2011 veröffentlicht wurde. Mit knapp 670 Mio.t gehen die US-Analysten von einer Welt-Weizenernte aus, die 3,3 % über der Vorjahresernte liegen soll. Irritiert reagierten die Marktteilnehmer auf die Zahlen für die EU: Die EU-Weizenproduktion wird mit 139 Mio.t um 2,1 Mio.t höher als im Vorjahr geschätzt. Die US-Ernte wird mit 56 Mio.t rund 7,5 % niedriger als im Vorjahr eingeschätzt.

    Die US-Märkte reagierte an den ersten Tagen nach der Veröffentlichung der Prognose zunächst mit Kursrückgängen, doch inzwischen scheint sich auch in den USA herumzusprechen, daß sich die Anbau- und Wachstumsbedingungen nicht nur in den USA - dem Exporter Nr.1 am Weltmarkt -, sondern auch in anderen Teilen der Welt vergleichsweise ung[nstig entwickeln.

     Hausse-Signale trotz US-Prognose

 

  • EU: Erste Trockenschäden
    Die Niederschläge Mitte Mai fielen in ganz Nordeuropa nur regional ergiebig aus. In vielen Meßbechern herrscht noch immer Ebbe und mit Blick auf den Wasserbedarf der Böden blieb die Niederschlagsbilanz stark defizitär.

    In Deutschland hat die überwiegend trockene und warme Witterung seit Anfang März bereits zu Ertragsdepressionen und ersten gravierenden Trockenschäden geführt. Hohe Temperaturen und zeitweilig starker Wind ließen die nutzbare Feuchte (nFK) der Böden rapide absinken und beeinträchtigten das Wachstum der Feldbestände.

    Die Wetterprognosen für die großen EU-Anbauländer Frankreich und Deutschland lassen in den kommenden Tagen allenfalls regional begrenzte Niederschläge erwartet. Für Westeuropa werden bereits Mindererträge in einer Spannbreite von 10 bis 20 % prognostiziert.

    Hausse-Tendenz

 

  • USA: Ungünstige Wetterbedingungen
    Die Situation bei Weizen spityt sich in den USA weiter zu. Während die Dürre im US-Süden noch immer andauert, behindert Regen in den nördlichen Anbaugebieten weiterhin die Sommerweizen-Aussaat und für den Mittleren Westen werden erneut Niederschläge und viel zu kalte Temperaturen vorhergesagt. Das Zeitfenster für die noch ausstehende Aussaat schließt sich immer weiter.

    Infolge der ungünstigen Witterung entwickeln sich auch die Winterweizen-Bestände in den USA schlechter als üblich. Der Anteil der in gutem oder sehr gutem Zustand bonitierten Pflanzen wird mit 32 % nochmals um einen Prozentpunkt niedriger als in der Vorwoche angesetzt bzw. 32 Punkte schlechter als im Vorjahr.

    44 % der Bestände werden sogar als "schlecht" oder "sehr schlecht" gewertet, w'hrend es im Jahr davor nur 8 % waren. Dies ist die schlechteste Bewertung seit 1996. Besonders schlecht pr präsentieren sich der Winterweizen in den Staaten mit den größten Winterweizenflächen. In Kansas fallen 55 %, in Oklahoma und Texas sogar 80 % bzw 75 % der Feldbestände in die Kategorie "schlecht" oder "sehr schlecht".

    Auch die Aussaat des Sommerweizens verzögerrt sich infolge von Nässe und Kälte in den nördlichen Anbaugebieten des Mittleren Westens immer weiter. Bis zum 15. Mai war die Aussaat erst zu 36 % abgeschlossen (Vorjahr: 78 %) und liegt damit rund zwei Wochen hinter dem langjährigen Durchschnitt.

    Hausse-Tendenz

 

  • Osteuropa, Kanada, China: Wetterprobleme
    Nachdem in Osteuropa günstiges Anbauwetter die Entwicklung der Feldbestände bisher gefördert hat, signalisieren jetzt Wetterprognosen für die Ukraine und den Westen Rußlands eine trockenere und wärmere Witterungsphase. Die dortige Wetterentwicklung wird derzeit mit großer Aufmerksamkeit verfolgt.
    Auch in Kanada verzögert viel zu nasses und kaltes Wetter die Aussaat von Sommergetreide und Canola-Raps.
    In den Dürreregionen in Zentral-China haben leichte Niederschläge die Lage entspannt. Hier wartet man allerdings auf weitere Niederschläge. Für den noch immer viel zu trockenen Norden des Riesenreiches werden leichte Schauer prognostiziert. Am Markt wird angesichts des wachsenden Inlandsverbrauchs auf einen steigenden Importbedarf Chinas spekuliert.

    Hausse-Tendenz

 

  • Argentinien, Australien: Anbauausweitung
    Die Landwirte in Argentinien wollen ihre Weizenanbaufläche zur nächsten Ernte nach einschätzung privater Analystenhäuser um 5,3 % ausdehnen. Nach Einschätzung des argentinischen Landwirtschaftsministeriums wird die Flächenausweitung sogar noch deutlicher höher liegen.
    In Australien, wo die Aussaat gerade begonnen hat, wird es auch in diesem Jahr nicht nur in den westlichen Anbaugebieten immer trockener. Noch planen die Landwirte dort eine Ausweitung des Anbaus.

    Baissse-Tendenz

 

 

Prognose
Mitte dieser Woche fielen die Preisaufschläge an den Agrarrohstoffmärkten noch sehr moderat aus. Doch bereits zum Ende der Woche dürfte sich der Preisauftrieb naxh meiner persönlichen Einschätzung deutlich beschleunigen.

Entscheidend für die weiteren Preisaussichten wird die Wetterentwicklung der kommenden zwei Wochen in Europa und Nordamerika sein. Sollte in Deutschland und Frankreich der dringend benötigte Regen ausbleiben, ist absehbar, daß die EU Ernteerwartungen nochmals kräftig nach unten korrigiert werden müssen und Qualitätsprobleme (Sortierung u.a.) nicht auszuschließen sind. Sollte sich die Witterung in Nordamerika insbesondere beim Exporteur USA – nicht verbessern, ist zudem zu erwarten, daß die Investoren wieder verstärkt in die Agrarrohstoffmärkte investieren und die Volatilität der Preise verstärken.

Die Preisdifferenz zwischen der alten und der neuen Ernte dürfte sich nach meiner Einschätzung wieder deutlich verengen. Nicht übersehen werden sollte jedoch, daß sich die Preisaussichten aktuell völlig anders darstellen als vor einem Jahr, als sich die Kurse an den Börsen und die Preise am Realmarkt noch auf sehr viel niedrigerem Niveau bewegten. Der Preisspielraum nach oben dürfte aus heutiger Sicht in den kommenden Monaten daher deutlich kleiner ausfallen als in der vorherigen Saison. .

 
 
 
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