Weizen: Stimmungsumschwung

S. Linker sabine.linker@llh.hessen.de Stand: 04.10.2011


Nicht einmal die aggressiven russischen Exporte brachten die Weizen-Preise ins Wanken. Erst die Börsen-Turbulenzen im September und etwas bessere Ernteaussichten ließen die Kurse abstürzen. Wie wird es am Weizenmarkt weitergehen?

 

Marktlage
Die schwachen Ernteaussichten in der EU, Problemwetter in den USA, beste Ernteaussichten in Osteuropa und der Wiedereinstieg Rußlands und der Ukraine in das Exportgeschäft haben die Preise am Weizenmarkt in den letzten Monaten geprägt.

Die Befürchtung einer defizitären globalen Produktion und die heterogenen Erntequalitäten in der EU begrenzten auch hierzulande die Preisrücknahmen - trotz der real vorhandenen hohen globalen Lagerbestände. Noch während die Weizen-Ernte in Deutschland auf vollen Touren lief, war das Erntetal bereits durchlaufen und der Trend bei den Weizenpreisen zeigte wieder leicht nach oben.

Selbst nachdem Rußland und die Ukraine sich als Exporteure am Weltmarkt zurückgemeldet hatten und mit einer aggressiven Preispolitik für volle Auftragsbücher sorgten, zogen die Weizenpreise an den Terminbörsen und am Kassamarkt weiter leicht an.

Erst die Börsen-Turbulenzen im September brachten die Weizenpreise zum Einknicken.

An der Warenterminbörse in Paris sackte der November-Termin am 30.09.2011 mit 183,50 Euro/t auf den niedrigsten Stand seit Ende August 2010. Seit Anfang September hat der November-Future damit mehr als 12 % seines Wertes verloren. Seit dem Höchststand Ende Mai 2011 büßte der November-Termin sogar über 27 % seines Wertes ein.

Auch der Kassamarkt konnte sich dem Kursrutsch an den Börsen nicht entziehen - trotz der am Realmarkt bestehenden engen Angebot-Nachfrage-Situation.

 

Fakten

  • Welt: Knapp bedarfsdeckende Ernte
    Trotz einer starken Anbauausweitung weisen die globalen Ernteprognosen für Weizen in der Saison 2011/12 keine neue Rekordernte aus. Das bestätigen auch die neusten Zahlen des US-amerikanischen Landwirtschaftsministeriums vom 12.09.2011 und des Internationalen Getreiderates vom 22.09.2011 zur globalen Weizenbilanz. Mit 678 Mio.t bzw. 679 Mio.t wird die Weizenernte 2011/12 rund 4,6 bzw. 4,3 % höher als die Vorjahresernte eingeschätzt.


    Dennoch bleibt die Versorgungsbilanz eng, da der weltweite Verbrauch weiter steigt. Mit geschätzten 677 bzw. 679 Mio.t weisen die Prognosen eine knapp bedarfsdeckende Ernte aus.

     Hausse-Tendenz

 

  • EU: Ernte auf Vorjahresniveau
    Bereits frühzeitig zeichnete sich ab, daß die Weizenernte in den USA und der EU kleiner als erwartet ausfallen würde. Dagegen konnten in Kanada die Ernteerwartungen nach oben korrigiert werden. Lange Zeit ging man von erneut rückläufigen Endbeständen aus.

    Erst in den letzten Wochen wurden die Ernteerwartungen - auch in der EU - wieder leicht nach oben korrigiert. Damit erreicht die Ernte 2011 etwa das Vorjahresniveau. Inzwischen zeichnet sich zudem ab, daß die EU-Lagerbestände in der laufenden Saison leicht ansteigen werden.


    Zwar fehlen im Norden und Osten regional ausreichende Mengen an Exportweizen mit entsprechenden Proteinwerten (11,5-12,5 %). Da die Konkurrenz aus Osteuropa den EU-Exporteuren oftmals die Geschäfte wegschnappt, dürften die EU-Lagervorräte am Ende des Wirtschaftsjahres wohl etwas höher liegen als im Vorjahr.

     Baisse-Tendenz

 

  • Export: Schwarzmeer-Konkurrenz belastet EU-Export
    Weizen-Produzenten und Exporteure in der EU treffen in dieser Vermarktungssaison auf eine starke Konkurrenz aus dem Schwarzmeerraum. Vor allem Rußland, die Ukraine und Kasachstan dominieren derzeit bei Weizen den internationalen Exportmarkt.

    Die EU hat im ersten Quartal des laufenden Wirtschaftsjahres 2011/12 deutlich weniger Getreide exportiert als im Vorjahr. Nach Angaben der EU-Kommission wurden seit Anfang Juli bis Ende September rund 3,5 Mio.t Weizen in Drittländer vermarktet. Zeitgleich summierte sich das Importvolumen bei Weizen auf 2,4 Mio.t, so daß die Netto-Export-Bilanz lediglich bei 1,1 Mio. liegt.


    Ganz klar gibt in dieser Vermarktungssaison russischer Exportweizen die die Preislinie vor.

    Sowohl in Rußland als auch die Ukraine und Kasachstan dürfte die für den Export verfügbare Menge an Weizen größer als ursprünglich geschätzt ausfallen. Aufgrund der der guten Ernte geht das Landwirtschaftsministerium in Moskau von Weizen-Exporten von 16 Mio.t in der Saison 2011/12 aus, nachdem im vergangen Jahr die Exporte Dürre-bedingt nur ein Volumen von knapp 4 Mio.t erreichten. 2009/10 lagen die russischen Weizen-Exporte jedoch mit 18,6 Mio.t sogar noch höher..

     Baisse-Tendenz

 

  • Osteuropa: Hohe Ernten - hohe Exporterwartungen
    Kasachstan: Die Erntekampagne dürfte in rund 14 Tagen abgeschlossen sein. Mit erwarteten 25 Mio t Getreide liegen die Ernteerwartungen weit über dem Vorjahresergebnis (12,2 Mio.t), als Trockenschäden zu hohen Produktionsausfällen geführt hatten. Der bisherige Produktionsrekord wurde 2009 mit einer Produktion von 21 Mio.t Getreide erreicht. Damit kann Kasachstan seine Exporte kräftig ausweiten. Derzeit geht das Landwirtschaftsministerium in Astana von Weizen-Exporten in Höhe von rund 10 Mio.t aus. Abzuwarten bleibt, ob sich bei der Lagerlogistik Probleme ergeben.

    Ukraine: Das Landwirtschaftsministerium in Kiew rechnet mit einer Verdopplung der Getreideexporte im Vergleich zur Vorsaison. Trotz der hohen Weizenernte verläuft der Export bisher jedoch vergleichsweise schleppend, da die Ukraine seit Juli Exportzölle erhebt. Trot anhaltender Proteste hat das Ministerium Anfang September bekanntgegeben, daß die Exportzölle für Getreide vorerst bis Ende des Jahres in Kraft bleiben.

    Rußland: Bisher wurden 53,5 Mio.t Weizen geerntet von rund 86 % der Anbaufläche. Die offiziellen Ernteerwartungen könnten sogar noch übertroffen werden. Prognosen privater Analysten für die diesjährige Weizenernte liegen zwischen 50-56 Mio.t.

    Baisse-Tendenz

 

  • Australien: Höchste Ernte seit 15 Jahren erwartet
    Mit 26,2 Mio.t wird die australische Weizenernte rund 0,5 % niedriger als im Vorjahr (26,3) prognostiziert. Im Vergleich zum 5 Jahres-Durchschnitt würde die Ernte jedoch 39 % höher ausfallen. Unter Berücksichtigung eines Inlandsverbauchs in Höhe von 5,7 Mio.t und der Lagerbestände aus dem Vorjahr stände ein Exportvolumen von 20,4 Mio.t zur Verfügung.

    Sollten sich die Erwartungen bestätigen, würde Australien einen neuen Export-Rekord erreichen. Allerdings spürt auch Australien, der wichtigste Weizenexporteur auf der Südhalbkugel, vor allem beim Weizen-Export die starke Konkurrenz aus dem Schwarzmeerraum.

    Baisse-Tendenz

 

  • Ernte 2012/13: Ausweitung der Anbaufläche
    Auf der Nordhalbkugel hat die Winterweizen-Aussaat begonnen. Vieles deutet darauf hin, daß die Anbaufläche zur Ernte 2012 ausgeweitet wird. Der Internationale Getreiderat erwartet, daß in der EU die Weizenanbaufläche weitgehend unverändert bleibt. Aufgrund günstiger Aussaatbedingungen in wichtigen Anbauregionen Rußlands wird dort mit einer größeren Anbaufläche gerechnet.

    Trockenheit behindert dagegen die Weizenaussaat in einigen Regionen der Ukraine um in den südlichen Anbaugebieten der USA.

    In Deutschland könnte die Weizen-Aussaatfläche möglicherweise wachsen, da nicht bestellte Rapsflächen für Weizen genutzt werden.

    Baisse-Tendenz

 

Prognose
Angesichts einer verblassenden Konjunktureuphorie an den internationalen Märkten zeigt sich, wie spekulativ überhitzt inzwischen auch die Weizen-Börsen sind.

Noch in der Saison 2010/11 hatten die Preise unabhängig von den realwirtschaftlichen Angebots- und Nachfrageverhältnissen ein kräftiges Aufwärtspotential. Doch in dieser Saison stellt sich die Marktsituation völlig anders dar. In den letzten Monaten haben Investoren viel Geld in die vergleichsweise engen Agrarrohstoffmärkte umgeschichtet.

Im Spannungsfeld einer immer intensiveren Knappheitsthesen-Propaganda und globaler Konjunkturängste fahren die Weizenpreise immer öfter Achterbahn. Sobald sich die Risiken verschärfen, machen die Investoren Kasse und lösen immer wieder Kursrutsche aus.

Für die Weizen-Erzeuger wachsen damit die Preis- und Produktionsrisiken. Den leicht Hausse-trächtigen fundamentalen Daten stehen wachsende Abschwungsrisiken an den Rohstoffmärkten gegenüber. Die Preislinie dürfte auch in der nächsten Zeit durch die russischen Exporte vorgegeben werden.

 
 
 
Vorhergehende Beiträge
23.08.2011 Ernte 2011: Weizenpreise im Aufwärtstrend
11.08.2011 Ernte 2011: Absackende Qualitäten - steigende Preise
11.08.2011 Weizen: Produktionsdefizit trotz höherer Ernten
01.08.2011 Weizen: Stabile Preise trotz russischer Billig-Offerten
28.07.2011 Ernte 2011: Futtergerste überholt Futterweizen
18.07.2011 Weizen: Schwächetrend durch Schwarzmeer-Exporte ++++ (Nur für CASH!-Mitglieder.)
18.05.2011 Weizen: Hausse-bereiter Markt
27.04.2011 Weizen: Regen in den USA kühlt die Kurse ab
07.04.2011 Weizen: Feste Preise – besonders für Spitzenqualität
   
 
 
 
 

Seitenanfang