So verpflichtet beispielsweise das Gemeinschaftsrecht der EU zum
Schutz der Sicherheit und Gesundheit der Verbraucher alle Hersteller,
nur sichere Produkte auf den Markt zu bringen. Mit anderen Worten:
Jedes Produkt, das im Rahmen einer Geschäftstätigkeit gehandelt
wird und das für Verbraucher bestimmt ist oder von Verbrauchern
benutzt werden könnte, darf bei einer produktgemäßen Verwendung
keine oder nur geringe Risiken bergen.
Mit dem Produkthaftungsgesetz (ProdHaftG) wurde eine entsprechende
EG-Richtlinie in deutsches Recht umgesetzt. Das ProdHaftG hat damit
jedoch nicht das in Deutschland seit langem geltende traditionelle
Produkthaftungsrecht auf der Grundlage des Bürgerlichen Gesetzbuches
(§§ 823 BGB) und die auf dieser Rechtsgrundlage praktizierte Verschuldenshaftung
verdrängt. Beide Gesetze stehen zueinander in Anspruchskonkurrenz.
Dem Geschädigten stehen beide Anspruchssysteme zur Verfügung, um
mögliche Schadensersatzansprüche vollständig abzudecken.
Die Haftung nach dem ProdHaftG und im Kern auch die allgemeine
Produkthaftung nach dem BGB kann durch Allgemeine Geschäftsbedingungen
(AGB) weder beschränkt noch ausgeschlossen werden.
Wichtigste Punkte des ProdHaftG sind:
- Die Produkthaftung unterliegt einer verschuldensunabhängigen
Haftung (Gefährdungshaftung), d. h. sie ist als Haftung
ohne Nachweis eines Verschuldens des Schädigers definiert.
- Im Sinne des ProdHaftG versteht man unter Produkten
alle industriell oder handwerklich hergestellten beweglichen Sachen
unabhängig von ihrem Aggregatzustand (z. B. auch Wasser, Dampf
und Gas als Energieträger), sowie Elektrizität. Massenprodukte
unterliegen dem Gesetz ebenso wie Einzelfertigungen (z. B. Salmonellen
in Eierlikörtorte im Bauerncafe).
Ursprünglich unterlagen Erzeugnisse der landwirtschaftlichen Urproduktion
(landwirtschaftlicher Bereich der Tierhaltung und der Pflanzenproduktion)
und der Jagd nicht der Produkthaftung, sofern sie keiner ersten
Verarbeitung unterzogen worden waren. Mit dem Ziel der Harmonisierung
der EU-Rechtsvorschriften erweiterte die EU mit der Richtlinie
1999/34/EG die Produkthaftung auch auf die landwirtschaftliche
Urproduktion. Das bedeutet, dass mit der Umsetzung in deutsches
Recht seit dem 01.12.2000 auch für unverarbeitete Agrarprodukte
der Grundsatz der verschuldensunabhängigen Haftung gilt (z. B.
Pilzbesatz von Futtergetreide).
- Ersatzpflichtig ist neben dem tatsächlichen Hersteller
jede Person die sich als Hersteller ausgibt, sowie der Importeur,
der aus Drittstaaten (nicht EU-Staaten) einführt und unter gewissen
Bedingungen auch der Lieferant.
- Der Geschädigte hat einen Anspruch auf Wiedergutmachung,
auch wenn kein Verschulden des Herstellers gegeben ist. Im Schadensfall
ist der Nachweis der Fahrlässigkeit oder des Versagens des Produzenten
nicht erforderlich. Ein Schadenersatzanspruch erfordert lediglich
den Nachweis des ursächlichen Zusammenhangs zwischen dem entstandenen
Schaden und dem Fehler.
- Schadensersatz ist bei Personenschaden bis zu einem Höchstbetrag
von 81,8 Millionen Euro (160 Millionen DM) zu leisten.
Bei Sachschäden gilt dies nur, wenn eine privat benutzte Sache
beschädigt worden ist, wobei der Geschädigte seinen Sachschaden
zudem bis zu einer Höhe von 575,2 Euro (1.125 DM) selbst
zu tragen hat. Schmerzensgeld (sogenannter immaterieller Schadensersatz)
wird nicht gewährt.
- Der Anspruch auf Schadenersatz verjährt nach Ablauf einer
Frist von drei Jahren ab dem Tag, an dem der Geschädigte von dem
Schaden, dem Fehler und der Identität des Herstellers Kenntnis
hätte erlangen müssen. In jedem Fall kann der Hersteller nach
Ablauf einer Frist von zehn Jahren ab dem Zeitpunkt, zu dem das
Produkt in den Verkehr gebracht wurde, nicht mehr haftbar gemacht
werden.