Heulen und Zähneklappern ist derzeit bei den Kartoffel-Produzenten
angesagt. Bei Preisen unter 3 € je 100 kg legen die
Landwirte bares Geld 'drauf.
Marktlage
Nachdem die Frühkartoffel-Saison 2004 den Markteinstieg zu
hohen und stabilen Preisen geschafft hatte, sind die Kartoffel-Kurse
während der Haupternte der mittelspäten und späten
Sorten regelrecht abgestürtzt.
Die Gründe für den Preisverfall sind vielfältig:
Frühzeitig kündigte sich in Deutschland und anderen EU-Ländern
eine hohe Erntemenge an. Dennoch erreicht die Ernte 2004 nicht
das Rekordniveau der Jahre 1999 und 2000. Die Lage wurde vor allem
durch eine nicht verbrauchsorientierte, das heißt zu umfangreiche
Marktbeschickung seitens der Landwirtschaft drastisch verschärft.
Inzwischen ist der Preis auf unter 3 €/100 kg abgesackt.
Regional lag der Preis sogar zeitweise bei 2 €/100 kg.
Damit deckt der Marktwarenertrag derzeit nicht einmal 50 %
der Produktionskosten. Die derzeitige Katastrophenstimmung wird
zudem durch Super-Sonderangebote großer Discounter noch verstärkt.
Zudem stört der hohe Anteil an Übergrößen die Geschäfte der
Packbetriebe und am Endverkaufsmarkt. Übermengen aus dem Anbau für
die Verarbeitung und zusätzliche Mengen aus der Pflanzguterzeugung
führen zu zusätzlichem Preisdruck..
Fakten
- EU: Hohe Ernte, jedoch keine Rekordernte
Für die EU-15 wird mit 45,3 Mio.t eine Erntemenge erwartet,
die rund 11 % über dem Vorjahresergebnis liegt. Damit
steht für die Saison 2004/05 ein umfangreiches Angebot zur
Vermarktung an, das jedoch nicht die Rekordernten vergangener
Jahre erreicht (1999: 48,3 Mio.t, 2000: 48,1 Mio.t).
- Deutschland / Hessen: "normale" Ernte nach dem
Dürrejahr 2004
Für Deutschland wird die Ernte 2004 derzeit auf rund 12,3 Mio.t
geschätzt und dürfte damit rund 25 % über
dem außerordentlich schlechen Ergebnis des Dürrejahres
2003 liegen. Damit liegt die diesjaährige Ernte deutlich
unter der Rekordernte von 2000 (13,19 Mio.t).
Auch für Hessen werden höhere Erträge und damit
höhere Produktionsmengen prognostiziert. Mit 0,21 Mio.t
könnten die Ernte 2004 zum dritten Mal in Folge höher
ausfallen. Die Rekordernten der Jahre 1999 (229.042 t) und
2000 (226.940 t) werden dennoch nicht erreicht.
- Der Verbrauch an Frischkartoffeln sinkt weiter. Die Verbraucher
greifen immer häufiger zu Pizza, Pasta und Fertiggerichten.
Nachdem der Pro-Kopf-Verbrauch in den 50er Jahren noch bei 150
kg lag, ist der Gesamtbedarf inzwischen auf 67 kg Kartoffeln
geschrumpft, wovon inzwischen lediglich 32,9 kg auf frische
Kartoffeln entfallen.
Prognose
Richtig ist, daß die Ernte in Hessen, Deutschland und der
EU höher ausfällt als im Vorjahr. Richtig ist auch, daß
innerhalb weniger Erntewochen hohe Angebotsmengen auf einen nicht
ausreichend aufnahmefähigen Markt trafen.
Dennoch fällt die Erntemenge 2004 nicht so umfangreich aus,
daß dies einen völligen Marktzusammenbruch rechtferigen
würde. Berücksichtigt man zudem den Bedarf der Stärkefabiken
oder der Biogasanlagen, schmilzt der zu erwartenden Überhang
auf Mengen zusammen, die durchaus am Markt plaziert werden können.
Nach meiner Einschätzung sollte Problemware (Sortierung, Qualitätsmängel
usw.) nicht mehr in den Speisekartoffelsektor vermarktet werden,
sondern den Markt über die Verfütterung oder die energetische
Verwertung in Biogasanlagen entlasten. Qualitativ einwandfreie Ware
sollte dagegen eingelagert werden. Die Erntedaten lassen die Hoffnung
zu, daß die Kartoffelpreise in den kommenden Wochen doch noch
ein höheres Niveau erreichen. Hierbei wird jedoch die Preisgestaltung
der Discounter eine gewichtige Rolle spielen.